
Das Verbrechen als Überschreitung gesellschaftlich akzeptierter Normen ist ein starkes Affektsignal. Es packt die Zuschauer:innen bei ihren Wertvorstellungen und ihrer Moral: Die Ordnung ist herausgefordert, nun muss sie wiederhergestellt werden – oder nicht? Wenn es, was nicht immer der Fall ist, im Film um das Aufklären des Verbrechens geht, nimmt mit der Tat auch ein Spannungsbogen seinen Anfang, der im besten Fall über die gesamte Filmdauer trägt.
Der Vorspann hat in das Folgende einzuführen, er muss […] die richtigen Weichen legen, das Genre und die spezifische Stimmung des folgenden Films treffen und vorbereiten.
Besonders effektiv wird das Verbrechen – etwa ein Mord – eingeführt, wenn der eigentliche Vorgang verborgen bleibt, wenn der Film nur Andeutungen macht, sodass das Publikum manches ahnt, vieles vermutet, aber nichts wirklich weiß. Manchmal steigt der Film erst nach vollbrachter Tat in die Handlung ein.
Eine lange, am Stück gedrehte Szene (Plansequenz), eine subjektive Kamera, die vom gelassen seine Spuren verwischenden Täter nur die Handschuhe und die Manschetten zeigt, sonst nichts: Das Rätseln beginnt, los geht’s.
Sie stiehlt sich davon, sie entsorgt einen Schlüssel, sie schreibt eine kryptische Notiz. Sie verhält sich verdächtig. Verrät man zuviel, wenn man sagt: Zarah Leander war es nicht?
Verbrechen haben nicht nur im Kriminalfilmgenre mit seinen Unter- und Spielarten – dem Polizei- und Detektivfilm, dem Gerichtsdrama, dem Spionagethriller – einen Platz. Verbrechen werden zudem nicht immer als Skandal präsentiert, sondern dienen häufig der Charakterisierung eines Milieus oder einer Figur.
IM SCHATTEN trägt die Randständigkeit seiner Figuren schon im Titel. Kriminelles Tun wird in Thomas Arslans Film nicht als Entscheidung, sondern als Zustand präsentiert. Die Figuren, auch wenn sie wollen, finden aus ihrer Situation nicht heraus. Kein Verbrechen wird im Filmanfang gezeigt: Der Regen, die Nacht, das Warten aber erzählen von Stillstand und von Ausweglosigkeit. Und bereiten die Bühne für das, was kommt.
Ein Sonderfall des nonchalanten Umgangs mit dem Gewaltverbrechen ist die Reihe der mehr als 30 Edgar-Wallace-Filme, die zwischen 1959 und 1972 vor allem bei der Berliner Produktionsfirma Rialto Film unter Horst Wendlandt entstand. Die populären, beim Publikum höchst erfolgreichen Filme können als eigenes Subgenre des Kriminalfilms begriffen werden. Eine rasante, kolportagehafte, meist witzige, oft aberwitzige Handlung führt zur Auflösung der einen Frage: Wer war’s?
Hallo, hier spricht Edgar Wallace.
Zu den Konventionen der Wallace-Filme gehören: ein spektakulärer Einstieg, mit einem Mord, einer Flucht, einem Verrat, einer missglückten Hinrichtung…
…und auffällig gestaltete Titel, fast immer in Farbe, selbst wenn der Rest des Films ins Schwarz-Weiß gehalten ist.
In dem Ansinnen, mit seriell gestalteten Anfangssequenzen einen hohen Wiedererkennungswert zu erreichen, sind die westdeutschen Wallace-Produktionen durchaus den berühmten Titelsequenzen der James-Bond-Reihe vergleichbar, die ab DR. NO im Jahr 1962 von Maurice Binder geschaffen wurden.
Wenn auch vielleicht eine Spur weniger kunstvoll.